Prof. Dr. Ernst Günther Grimme über Benno Werth

Benno Werth hat den Rat Ewald Matarés konsequent verfolgt, dass das Lernen gründlicher, handwerklicher Technik Voraussetzung für den soliden Aufbau eines Kunstwerks sei. Nur so werde vermieden, dass jemals in ein Werk sich ein falscher Ton einschleiche und äußerlicher Effekt trügerisch fehlende Substanz überdecke.

Gleichgültig, um welches Medium künstlerischen Schaffens es sich handele: Malerei in Öl oder Glas, Figurinen in Bronze und Eisenguss. Skulpturen oder Platzgestaltung: im Anfang steht das reiche Reservoir souverän beherrschter Techniken. Und wie bei Mataré konnte er den Reichtum seiner Ideen, Konzepte und Plane stets umsetzen, weil er auf der Klaviatur der Techniken so souverän spielte, wie auf den Tasten seines Flügels. Ja mehr noch, vorhandenen Techniken gewann er eine neue hinzu, in der auf die Herstellung eines Positiv-Modells verzichtet werden konnte, um es gleich negativ in die für die neue Technik besonders geeignete Gussform aus Kieselgur (oder furanharzgebundenem Quarzsand) hineinzuarbeiten.

Werths Werk ist von hoher geistiger Ordnung und Disziplin geprägt. Sie allein ermöglicht es, dass in dem schier grenzenlosen Erfindungsreichtum des Künstlers nicht das Chaos ausbreche und damit „Zufälligkeiten“ Willkürliches und falscher Tiefsinn sich „künstlerisch“ gebärden, wie es leider heute im Kunstbetrieb an der Tagesordnung ist. Werths Kunst ist ein glückliches Gegengewicht und wird damit zum Maßstab, der – wie es Aufträge und Einzelwerke belegen – als solcher erkannt wird und sich durchgesetzt hat.

Auf Werths Ouevre läßt sich Stifters Erkenntnis übertragen, dass das Kleine so wenig klein wie das Große groß sei.

Eiserne Turmfrau, 78cm h, 1997, Foto: U. Piper

Spannengroße Figurinen erlauben die Vergrößerung zum platzbeherrschenden Mittelpunkt. Selbst der kleinsten Plastik wohnt etwas von archaisierender Größe inne.
Gerade das Element des Archaischen bedeutet viel in diesem künstlerischen Werk. Kein bewusstes Wollen führt zu dieser Affinität mit Archaischem, sondern eine geistige Verwandtschaft, die sich im Verzicht auf alles Überflüssige äußert. So baut sich die „Turmfrau“ aus nach vorne weit sich öffnenden zylinderförmigen Elementen auf, die ihren strengen geometrischen Charakter abgelegt haben und mit dem gleichförmig dreieckigen „Kopf“ zur Einheit verschmelzen. Die klein und attributhaft wirkenden Brüste tragen zu der totemistischen Wirkung bei, die dieser Kunst den Charakter des Unnahbaren verleiht. Doch der strengen abstrahierenden Form, die als ein Zeichen für Weibliches gelesen werden kann setzt Werth gleichsam die große weibliche Körperlichkeit gegenüber, die mit der Kraft sich rundender Formen dem Sinnenhaften seinen Platz in der Fülle der Ausdrucksmittel seiner Kunst belässt.

The King, Eisen, 40cm h, 1996, Foto: U. Piper

In großem sich öffnendem Sechseck, turmförmig zusammengefasst und gekrönt, der Eisenguss „The King"! Wie von fern stellt sich für die ganze Figur die Vorstellung des Gekrönten ein; nicht im illustrativen Sinne, sondern in dem Vermögen, durch erfundene und gefundene Elemente etwas auszudrücken, was über alles Reale hinausgeht und den Begriff des Königlichen mit abstrakten Mitteln überzeugend formuliert.

Schon die Skulpturen verraten, dass Werth auch Maler ist. Wie in den Bronzen die Patina künstlerisch „gesteuert" wird, das verrät das ausgeprägte Farbempfinden, das die ganze Skala der dem Metall abzugewinnenden Oxydationsfarben in das künstlerische Gesamtkalkül einbezogen wird, dazu Luft, die durch die Elemente der „Lamellenwand" streicht, fließendes Wasser, das Brunnenskulpturen zu lebenden Geschöpfen macht, Wasser von Schale zu Schale fließend „... und jede nimmt und gibt zugleich und strömt und ruht".
(C. F. Meyer).

Wasser, Öl auf Leinwand, 1999

In den “Monochromen Bildern" hat sich die Farbe verselbständigt und regt die Phantasie des Betrachters an, mit den Augen über die Farbwellen, -schlieren und pastosen Einzeltupfer zu wandern, zu schwimmen, zu ertrinken oder sich von den sonnenlichten Teilen, die sich ins dunkle Blau gegraben haben, wie von gleißendem Sonnenlicht blenden zu lassen. – Vielleicht ein wenig viel Phantasie hineingemixt, denn in Benno Werths Kunst, seien es Plastiken oder Bilder, spielen sich keine Dramen ab. Sie sind verhalten, maßvoll und von hoher Kultur. Es gibt grau-blaue Tonwerte in einem Bild, die dennoch durch die Stufung ihrer Intensität den Blick in tiefe Gründe sinken lassen oder Fontanas Sichelschnitt in der Leinwand wieder in warmem Gelb schließen ...

Über Benno Werths Werk ist viel geschrieben worden, über seine raumbeherrschenden Bronzeplastiken, die aus dem Stein herausgearbeiteten Stelen, kurz über die ganze Skala seiner künstlerischen Möglichkeiten. In der Fülle des Materials hat Werths Kunst den Charakter des Spielerischen nicht verloren. Man empfindet es als so beglückend, dass das Werk nicht in tiefem Ernst ertrinkt oder erstarrt, sondern Facetten hat, in denen sich die Schönheit der Welt spiegelt.

BENNO WERTH
Bilder und Skulpturen
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Vorwort:
Prof. Dr. Ernst Günther Grimme,
Akademie der Wissenschaften und Literatur, Mainz 1999,
(Ausstellung anläßlich der Jahresfeier der Akademie der Wissenschaften und Literatur,Mainz November 1999)